Essay
[Beispiel]
Zwischen den Schleusen
Text und Fotos: Fritz Thewes
Aus: Das Peter Feierabend Magazin, Könemann Verlagsgesellschaft mbH
[Hier mit einer Fotoauswahl]
Fragt man in Shrewsbury nach dem Weg zum Llangollen Kanal, dann muss man mit der Gegenfrage rechnen: „Meinen Sie den Shropshire Union Canal?“ Und es nutzt überhaupt nichts, wenn man auf dem walisischen Namen des Kanals mit den vier „L“ besteht. Diesseits der Borderlands nennt man ihn den Shropshire Union Canal, mit der etwas merkantilen Syntax im Namen. Hilfswillig, wie alle Engländer sind, wird der Befragte dann in eine ungefähr nordwestliche Richtung deuten, wo am Horizont die Berge von Nord Wales sichtbar werden. Da liegt auch der Horseshoe Pass, wo die Wasser entspringen, mit denen der Kanal gespeist wird.
Geplant wurde der Llangollen Canal zu einer Zeit, als eine wahre Canal Mania in England grassierte. Man wollte eine Wasserstraße, die den River Mersey, den Dee und den Severn verband. 1793 wurde mit den Arbeiten bei Ellesmere begonnnen. Fertiggestellt wurde das Projekt in diesem Umfang nicht; nennenswerte industrielle Regionen wurden nicht miteinander verbunden. Heute erstreckt sich der Wasserweg von Llangollen über Chirk, Ellesmere und Whitchurch bis Hurleston, nördlich von Nantwich.
Man muss schon froh darüber sein, dass der Llangollen Canal keine industrielle Anbindungen hat, so wie beispielsweise die Kanäle um Manchester. 74 Kilometer schlängelt sich der Llangollen Canal durch englisch-walisische Parklandschaft, gesäumt von naturbelassenen Ufern, durch Wiesen, auf denen mal Kühe mal Schafe weiden, berührt kleine Städte, fließt manchmal mitten durch idyllische Dörfer, und nur einen rauchenden Schlot sah ich nahe Chirk, aus dem harmlose Industriewölkchen empor stiegen.
Viele Waliser meinen, der Llangollen Canal sei „the most beautiful waterway in the country – perhaps in the world“. Tatsächlich machen ihn zwei der schönsten Aquedukte, einige Stufenschleusen und viele Ziehbrücken für jeden, der diesen Kanal befährt, zu einer touristischen Attraktion.
Die traditionellen Verkehrsmittel dieser Wasserstraßen sind die Narrowboats. Charakteristisch ist ihre farbenfrohe Dekoration, traditionell mit den Motiven von „Roses & Castles“ auf englisch-rotem Hintergrund, auf Racing-Green, Quittengelb oder Marine-Blau. Mit seinen Ausmassen von bis zu 22 Meter Länge aber nur bei einer Breite von 2 Metern ist das Navigieren eines solchen Bootes etwas gewöhnungsbedürftig. In engen Kanalbiegungen mit Gegenverkehr ist Augenmaß und Geschick beim Steuern dieser Überlänge gefragt. Auf freier Strecke allerdings ist das so simpel wie Rad fahren, wobei ja auch Rad fahren gelernt sein will. Eine Lizenz zum Steuern der Boote ist nicht erforderlich.
Das Angebot an Holiday-Booten ist groß, entsprechend der Nachfrage nicht nur aus England, sondern auch über die Grenzen Großbritanniens hinaus. In vielen Orten entlang des Kanals gibt es Stationen, an denen sich Narrowboats unterschiedlicher Bootsklassen anmieten lassen. Sie unterscheiden sich in Größe, von Zwei-Bett- bis Zehn-Bett-Booten, und nach Einrichtung; eine Küche mit allen Utensilien, eine Dusche und Toilette sind auf jedem Boot. An Gemütlichkeit lässt es keiner der Boote fehlen.
Für die einen ist das Überfahren der Aquedukte Teil einer Adventurereise, für die anderen etwas beklemmend, wenn sie die 300 Meter lange Passage des Pontcysyllte Aqueduct bei Trevor vor sich sehen. Wie in einer schmalen Wasserrutsche geht es von einer Seite zu anderen, wobei eine Stahlwand, nicht breiter als eine Streichholzschachtel und Oberkannte handbreit über dem Wasserspiegel, den Kanalisten vom Abgrund trennt. 38 Meter tiefer glitzert der River Dee in der Abendsonne. Auch meine Passage war begleitet von einer leichten Attacke von Vertigo.
1795 wurde diese Konstruktion aus Stahl und Steinen von William Jessop und Thomas Telford begonnen. 19 Bögen in einem Abstand von 14 Metern tragen die stählerne Passage. Zehn Jahre haben die Arbeiten an diesem imposanten Bauwerk in Anspruch genommen. Die Kosten betrugen 47.000 Pfund.
Fünf Kilometer weiter führt das Chirk Aqueduct über den River Ceiriog, dem Grenzfluss zwischen England und Wales. In unmittelbarer Nachbarschaft führt eine Eisenbahnlinie über das Flusstal. Am schönsten erscheinen die Brücken, wenn die Sonne flach steht und die Backsteine rötet. Die Ästhetik der Bauwerke erschließt sich, wenn man sich den Brücken durch das Flusstal nähert, über eine Wiese, auf der keine Blumen, stattdessen Schafe wachsen.
Beim Durchfahren der insgesamt 21 Schleusen nimmt der Boat Trip sportive Züge an: Wasserschieber aufkurbeln und Schleusentore mit den sog. Paddles öffnen, und hin und wieder ein gewagter Sprung von einer Torplanke zur anderen ist jedes Mal eine willkommene Abwechslung. Außerdem trifft man hier auf andere Kanalreisende; nichts ist leichter, als an solchen Stellen Kontakte zu knüpfen oder Small Talks abzuhalten.
Auf dem Weg von Llangollen nach Hurleston durchfährt der Kanalist drei Tunnel. Nichts leuchtet das Innere der Tunnel aus. Nur die Fahrtlampe des Bootes wirft einen schwachen Schein auf die Fahrrinne. Der wohl in seiner Konstruktion komplizierteste Ellesmer-Tunnel ist der kürzeste, der längste ist der in Chirk. Zu Zeiten, als noch Pferde die Lastenkähne zogen, waren die Tunnelpassagen mühselig, denn die Treidelpfade endeten vor dem Tunnel. Das Pferd wurde ausgespannt, und der Bootsmann, auf dem Rücken liegend, stieß sich mit den Füssen an Tunnelwänden oder der Tunneldecke ab um nach 420 Metern das Licht am Ende des Chirk-Tunnels zu sehen.
Viele „Lift Bridges“ sind unterwegs zu bedienen. Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen, wie die von Wrenbury, werden hydraulisch angehoben. Raus aus dem Kahn und Schlüssel in die Box, ein kleiner Dreh und die tonnenschwere Brücke hebt sich. Andere Brücken müssen hochgekurbelt werden. Die freundlichen Bootsverleiher geben hierfür jedem eine passende Kurbel mit auf den Weg. Die kleinsten Brücken befinden sich in der Schwebe. Mittels einer Kette und dank Gegengewichten werden sie geliftet. Klein und fein ist ihr Kraft-Weg-Verhältnis, an Eleganz nicht zu übertreffen.
Die Stadt Llangollen ist vielleicht touristisch etwas zu sehr strapaziert. An Wochenenden fallen Scharen von Kurzurlaubern ein und bevölkern Straßen, Brücken und Plätze. Die Motorradfahrer nerven vielleicht ein wenig. Sie nutzen die steile Abfahrt vom Horseshoepass als Speedway. Glücklich, wer sich dann in die behaglichen Kabinen eines Narrowboats zurückziehen kann. Oberhalb der Stadt liegen die Anlegestellen. Hier ist „mooring“ – das anlegen – bis zu 48 Stunden erlaubt. Ein Aufenthalt in der Stadt Llangollen lohnt, denn hier lässt sich einiges unternehmen. Beispielsweise kann man einen Ausflug in den Wagons einer historischen Eisenbahn unternehmen, die von einer imposanten Dampflok gezogen werden. Wer gut zu Fuß ist, macht sich auf den Weg zu den Ruinen der Valle Crucis Abbey, nördlich von Llangollen gelegen. Das ehemalige Zisterzienser Kloster wurde 1201 von Madog ap Gruffydd Maelor gegründet, der über Nordwales herrschte. Am südlichen Rand der Stadt liegt Plas Newydd, das Landhaus der Ladies Eleanor Butler und Sarah Ponsonby (1780-1829). Die pechschwarzen, reichverzierten Türen dieses Hauses verweisen auf das kunstliebende Damenpaar, über das sich die damalige Gesellschaft sicherlich die Mäuler zerriss. Das im gotischem Stil gehaltene Haus liegt in einem friedvollen Garten, dessen unterer Teil zu einem kurzen Spaziergang entlang des Rivers Cyflymen einlädt. Ob sich der Weg zu den Ruinen von Castell Dinas Bran (10 Jh.) lohnt, das im Nordosten über der Stadt thront, habe ich nicht ausprobiert. Aber ich sah es einmal aus frühmorgendlichen Nebelschwaden erscheinen, so als ob ein weißer Vorhang den Blick auf vergangene Zeiten freigeben würde. Zu dieser Zeit schlief die Stadt noch, und die Narrowboats dümpelten im Kanal, aufgereiht wie an einer bunte Perlenkette.
Auf dem Llangollen Canal lassen sich zwei Kategorien von Kanalisten unterscheiden. Zum einen die Touristen. Sie mieten sich ein Boot und tuckern die Sehenswürdigkeiten ab. Die anderen sind die Bootsbesitzer. Die Besatzung der Touristenboote variiert wie die Population eines Mallorca-Clippers: Ein Pärchen, zwei Pärchen, Familien… Die Besatzung der Bootsbesitzer besteht in der Regel aus einem mittelalten bis älteren Ehepaar, meist mit Hund. Die Hunderassen variieren.
Was sagen die Einen über die Anderen? Die Freizeitkapitäne sind interessiert, eher neidisch auf die reichverzierten und luxuriösen Narrowboats der Eigner. Diese hingegen sind nicht immer gut auf die Touries zu sprechen. Denn die „bumpen“ (von „to bump“), weil sie nicht richtig steuern können, immer an die Heiligtümer der Bootsbesitzer. Zum Beweis werden bereitwillig die Farbmarken gezeigt, die diese Anfänger hinterlassen – und bei näherer Betrachtung auch wirklich zu sehen sind. Mr. und Mrs. Allcock vom Narrowboat mit dem Namen „Wand’rin‘ Star“ sind in dieser Hinsicht ziemlich pingelig. Zu Recht. Sie haben alles verkauft und den stählernen Rumpf eines Bootes ausgebaut. Und es ist ihr Heim, was da ständig ramponiert wird.
Der Kapitän der „Wan’rin‘ Star“, Mr. Allcock, der sich kurz „Number One“ nennt, und seine Crew, Mrs. Allcock , leben seit drei Jahren auf dem Boot, samt zottigem Terrier, der die meiste Zeit auf Deck döst. „Life is short“, sagt Number One, und nennt das als Grund, der Hektik der Großstadt entflohen zu sein. Well, sagt Mrs. Allcock, was kannst du tun, um unausstehlichen Nachbarn in der Stadt zu entgehen? Nichts! Ausser, die Wohnung aufgeben und in eine noch teurere ziehen. So what!, sagt Number One, wir machen die Leinen los und fahren mit unserem Boot ein paar Meilen weiter. In fact: Überzeugend.
Wir sitzen in den Ledersesseln des Sittingrooms der „Wand’rin‘ Star“, und Number One erzählt von seinen Jahren auf hoher See. 14 Jahre war er in der British Merchant Navy. Autos von Bremerhaven nach Kapstadt hat er verschifft und Kaffee von Brasilien nach England. Wasser ist sein Element. Nun befahren sie englische und walisische Kanäle von März bis Oktober. Überwintert wird im „Red Bull Bassin“ nahe Stoke-on-Trent. „All is Tradition on the boat!“, versichert er mir, jeder Pinselstrich, jedes Bullauge, selbst der kohlegefeurte Bullerofen. Die Einrichtung des Narrowboats ist bequem: „Drei Zimmer, Küche, Diele, Bad“, nur etwas länger und enger als gewohnt; schließlich verteilt man sich auf 20 x 2 Meter. Es wird zentralbeheizt, gasgekocht und heißgeduscht, Dinge, die den langen Winter im „Red Bull Bassin“ komfortabel machen, weshalb es sich lohnt, es mit der Tradition nicht auf die Spitze zu treiben. Am Außenkamin sind zwei goldene Messingringe zu sehen, die „Two Brass Bands“. Sie signalisieren, dass Number One Besitzer des Bootes ist. Man zeigt Flagge: Am Rudermast flattert die Red Ensign im Wind, umgangssprachlich auch „Red Duster“ genannt, für die Flagge der British Merchant Navy.
Good Bye, und die „Wand’rin‘ Star“ legt ab in Richtung Sun Trevor. Durch eines der Bullaugen winken mir Rosie und Jim zu, zwei Puppen, die jeden Montag für 10 Minuten im Kinderprogramm der BBC mit ihrem Narrowboat „Rag Doll“ die Kanäle befahren und spannende Abenteuer erleben.
Wenn man seine Fahrt in einem Narrowboat fortsetzt, über die bereits erwähnten Aquedukte und durch die Tunnel, kommt man nach Frankton Junction. Die Stufenschleuse der Frankton Locks trennen den höhergelegenen Llangollen Canal vom Montgomery Canal. Von Cole Payne, dem Lock Keeper, kann man hier einiges über das korrekte Passieren einer Schleuse lernen. Mr. Payne muss es wissen, denn er steht seit 25 Jahre im Dienste der British Waterways. Außerdem wacht er schon aus eigenem Interesse darüber, dass die oberen Wasserschieber stets geschlossen werden. Denn es ist kein Einzelfall, dass er durch nachlässige Handhabung der Frankton Locks in der Dusche seines tieferliegenden Cottage‘ nasse Füße bekam, ohne erst den Wasserhahn aufdrehen zu müssen. Jederzeit kann sich der Interessierte aber auch von Mr. Payne in ein Gespräch über schleusentechnische Einzelheiten verwickeln lassen. Mechanik und Bedienung der Locks sind nämlich Teil einer stolzen Tradition von zweihundert Jahren.
Einige Meilen östlich, in Ellesmere, wurde der Grundstein des Llangollen Canals gelegt. An der White Bridge liegt die „Margaret Rose“, das Narrowboat von Sandra und Allan Roberts. Nachdem die Kinder vor drei Jahren das Haus verlassen haben, sind die beiden auf dieses Boot gezogen. Wie die Allcock’s von der „Wand’rin‘ Star“ so nutzen auch sie die schönste Zeit des Jahres, um die Kanäle zu befahren. Überwintert wird auf dem Boot in North Yorkshire. Ob diese Gegend nicht etwas zu kühl sei auf einem Narrowboat? Sandra zeigt mir den knapp 80 cm hohen Bullerofen im Sittingroom der „Margaret Rose“: Wenn der im Winter loslegt, verbreitet er seine behagliche Wärme durchs ganze Boot. Trotzdem zählen sie im März die Tage, bis die „Margaret Rose“ wieder Fahrt macht und der Frühling Einzug hält.
Wir sitzen in der Abendsonne und trinken selbstgemachten Wein. „Keep it simple“, sagt Allan. Alles, was wir brauchen ist an Bord. Lange haben wir überlegt, ob ein gas- oder elektrischbetriebener Kühlschrank angeschafft werden soll. Dann fanden wir heraus, dass der Stauraum unterhalb der Wasserlinie als Kühlraum ausreicht. Fleisch kaufen wir frisch beim Metzger, soll der das doch für uns kühlen. Auch die Pubs verdienen nichts an uns. Wir trinken unseren „Homemade Wine“. Der ist viel besser. Ich stimme dem zu, mit der Einschränkung, dass er etwas stark zu sein scheint und frage mich gleichzeitig, ob es Alkoholkontrollen auf dem Llangollen Canal gibt.
Nahe Whitchurch beginnt der Sandstone Trail. Wer die Perspektive wechseln will, der sollte einen Spaziergang über diesen Treidelpfad machen. Bei Grindley Brook Bridge stellt sich eine mächtige, jahrhundert alte Eiche in den Weg. Durch das Laub rieselt die Sonne in den Kanal. Pestwurz, mit seinen grossen Blättern, wächst fett am Ufer. Im Tau des Uferschilfs bricht sich das Licht. Sonnenreflexionen liegen wie goldene Münzen im Kanal.
An der Schleuse von Marbury, nach ca. 2 Km, nutzt man die Church Roving Bridge zur Überquerung des Kanals. Hungrige gehen landeinwärts und finden nach 500 Metern den „Swan Inn“, mit Pub-Food, der alle Lästermäuler englischer Küche Lügen straft. Der Verdauungsspaziergang könnte wie folgt aussehen: Einmal um „Big Mere“, anschließende Visite der Kirche St Michael, die ebenfalls an diesem See liegt. Oder: Von „Little Mere“ über „Big Mere“ und „Quoisley Mere“ nach „Quoisley Big Mere“. Wer gerne noch weiter wandern will, nutze den Treidelpfad, um nach zweiundhalb Kilometern im Pub „Dusty Miller“ von Wrenbury einzukehren. Von der Terrasse aus hat man eine gute Aussicht auf das Geschehen an der Lift Bridge.
Der Verkehr ist rege auf diesem Kanalabschnitt, und das nächste Boot ist schon in Sicht. Behend springt ein Herr aus dem Narrowboot. Bewaffnet mit einem kleinen Schlüssel, der jedem Kanalisten von der Autorität der British Waterways anvertraut wird, begibt er sich zu einem Schaltpult auf der anderen Seite der Lift Bridge, denn hier wird nicht gekurbelt oder gezogen. Hier tun hydraulische Pumpen ihren Dienst! Der Schlüssel wird in das zur Verfügung stehende Loch implementiert, gedreht und… nichts tut sich.
Leises Räuspern der Zuschauer auf der Terrasse von „Dusty Miller“, die solche Szenen genießen. Die Lady, die inzwischen versucht, das Boot vor der Lift Bridge auf Kurs zu halten, wird nach dem zweiten vergeblichen Versuch ihres Gatten unruhig. Nach einem ausgiebigen, genießenden Schluck aus seinem Pint of Lagerbeer ruft mein Tischnachbar über den Kanal: „The Gate! Das Tor!“ und erklärt den Gästen auf der Terasse, dass doch sonst die Autos in den Kanal fallen würden. Normal. Beim Herrn auf der anderen Seite fällt der Schilling und der Gentleman kommt wieder herüber und schließt das Gatter, um zunächst den Straßenverkehr zu sperren. Der folgende Versuch, die Brücke zu liften ist erfolgreich, und die Lady steuert das Narrowboat durch den Engpass. Kleine blaue Wölkchen steigen aus dem Auspuff des Bootes. Die Brücke klappt wieder runter, das Gatter wird geöffnet, und der Herr übernimmt sodann das Ruder.
Weiter hinten nimmt wieder ein Narrowboat Kurs auf die Lift Bridge von Wrenbury. Mein Tischnachbar ist in freudiger Erwartung. Wenn dann aber der erste vorbeikommende Kanalist durch Kenntnis der Tücken dieser Liftbridge enttäuscht, wird es Zeit, sich auf den Rückweg zu machen, denn unser Boot liegt ja noch vor den Grindley Brook Locks.
Oberhalb der Schleusen baut Mr. Finch den Stahlrumpf eines Narrowboat’s aus. Fertig eingerichtet wird das Boot 16 Tonnen auf die Waage bringen und mit einem Tiefgang von 60 cm einiges an Wasser verdrängen. TV, Microwelle oder Kühlschrank: „We’ll have nothing of that!!“ Selbst die gängigen japanischen Schiffsmotoren lehnt er ab. Gepowert wird das Boot selbstverständlich von einem englischen Perkins-Diesel, und der Sound seines überdimensionierten Schwungrades wird jeden Kenner aufhorchen lassen. Das Dreifache der Anschaffungskosten gegenüber eim japanischen Diesel ist ihm das schon wert.
Auf der Terrasse des Schleusencafes nehme ich den Cream Tea, ein Gedeck, bestehend aus zwei kleinen Kuchen, den „Scones“, bestrichen mit Erdbeermarmelade und jenem „Clotted Cream“, der sich zwischen Sahne und Butter nicht entscheiden kann. Dazu eine Kanne Tee mit frischer Milch. Köstlich! An dieser Schleuse wacht scheinbar kein Lock Keeper über den reibungslosen Vorgang. Es herrscht Hochbetrieb. Gleich zwei Boote sind auf dem Weg nach unten. Zwei andere warten bereits unten, um den Aufzug nach oben zu nehmen. In der Hochsaison werden die Schleusen zum Engpass, insbesondere an Donnerstagen, wenn die Rückreise Richtung Llangollen zu den Rückgabestellen der Hireboats beginnt. Auch mich führt der Weg dort hin. Hier schaue ich mit Wehmut jenen Beiden nach, die gerade ihr Narrow Boat übernommen haben und lostuckern. Auf dem Pontcysyllte Aqueduct wird dann die Lady dem Steuermann zuflüstern: „How exciting“ und noch etwas näherrücken. Die Anlegestellen jenseits des Chirk Aqueducts werden dann für die erste Nacht gewählt, wo das Schwanenpaar vorbeikommt, um eine gute Nacht zu wünschen.